Kreativität – sind wir schon so weit?

Wirtschaft und Politik schmücken sich gerne und oft mit den Schlagworten Kreativität und Innovation. Angela Merkel sagte beim Parteitag im April 2014 „Ich möchte ein Europa der Kreativität und der Chancen“. Aber ist unsere Gesellschaft überhaupt schon so weit und sind es unsere Unternehmen?

In einem Artikel der Wirtschaftswoche vom März 2014 werden die Einsparungen der deutschen Autobauer gelobt. VW berichtete, dass allein hierzulande in den letzten 65 Jahren drei Milliarden Euro mit dem sogenannten Ideenmanagement in der Fertigung eingespart wurden.

Daimler gab im vergangenen Jahr 17 Millionen Euro aus, um seine besonders erfindungsreichen Mitarbeiter zu belohnen – und sparte zeitgleich 68 Millionen Euro durch die Umsetzung der Ideen ein. Macht eine Gesamtersparnis von 61 Millionen Euro. Beeindruckende Zahlen.

Leider lassen diese viel zu schnell Rückschlüsse zu, dass es mit unserer Kreativität in deutschen Unternehmen gut bestellt ist.

Ich bin vom Gegenteil überzeugt. Ideenmanagement wird viel zu oft noch gleichgesetzt mit KVP, dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Nichts gegen diesen einzuwenden aber hierbei konzentrieren sich die Gedanke darauf bestehendes zu optimieren, Einsparungen zu generieren. Wirklich neues wird dabei selten und nur in Ausnahmefällen geschaffen.

Ist das die deutsche Kreativität? Wege zu finden Geld einzusparen? Ein sehr endliches Spiel.

Dies zeigt sich unter anderem daran, dass sich in Unternehmen durchschnittlich nicht einmal die Hälfte der Mitarbeiter an solchen Ideenmanagement Prozessen beteiligen. Ein ungenutztes, gigantisches Potential.

Im selben Bericht wird folgende Motivation für neue Ideen beschrieben: „Fakt ist: Viele Ideen entstehen bei der täglichen Arbeit. Wer sich regelmäßig über umständliche Prozesse ärgert, kündigt oder denkt über Verbesserungen nach.“

Es kann doch nicht das Ziel sein Mitarbeiter vor den Rand der Kündigung zu bringen, um Ihre Kreativität anzuregen. Kreativität entsteht, wenn wir die Freiheit zum Denken bekommen, wenn es Mut zur Fehlertoleranz gibt. Davor haben viele noch zu viel Angst.

Statt Mitarbeiter zu gestatten Kreativität in den Arbeitsalltag zu integrieren, sie im Science Fiction Modus denken zu lassen, werden Prozesse geschaffen, die wirklich neue Ideen bremsen. Das Nachmittägliche Brainstorming wird zur Selbstbeweihräucherung und Begründungsvorlage für die eigene, nicht existierende Innovationskultur.

Wenn ich in meinen Vorträgen den Satz: „Das haben wir schon immer so gemacht“ einbringe, nicken mir die Teilnehmer automatisch zu. Jeder kennt ihn. Wenn ich darüber spreche, Ideen auch im Schlaf zu entwickeln, bei Meetings einmal wieder kindlich zu denken, sehe ich größtenteils Fragezeichen auf den Gesichtern.

Wir haben in Deutschland keine Kultur der Kreativität, maximal eine rege Anstrengung nach Verbesserungen. Durchaus lohnend aber wird dies in den kommenden Jahren ausreichen?

Die Welt verändert sich immer schneller. Was wir brauchen sind keine ständigen Verbesserungen sondern wirklich neues. Dinge, die den Markt auf den Kopf stellen, verändern und Bedürfnisse kreieren. Dafür brauchen Mitarbeiter die Freiheit Gedanken auf die Reise zu schicken, das Unternehmen braucht eine Kultur der Begeisterung für Neues und für Veränderungen, die auch das Scheitern mit berücksichtigt. Wir brauchen einen Science Fiction Modus, der in der Ideenfindung alles zulässt, da alles möglich ist. Das ist kein einfacher Weg – aber er lohnt sich, wie der Erfolg innovativer Unternehmen belegt.

Vor kurzem erhielt ich die Absage für einen geplanten Vortrag zum Thema Kreativität. Im Unternehmen hatte sich die Compliance Abteilung gemeldet. Das Thema Kreativität läge zu weit vom Kongressthema Finanzen entfernt. Nun kann man darüber streiten, ob der Finanzsektor nicht schon kreativ genug ist. Aber es zeigt die Denktendenz in vielen Unternehmen. „Das haben wir schon immer so gemacht“ wird mit der Argumentationskeule Compliance umgesetzt.

Wenn das Angela Merkel wüsste.